Besprechung: In guter Gesellschaft / Berner Zeitung
Die Galerie da Mihi zeigt mit «Flurina Hack – am Katzentisch» und «Remy Erismann – Prosthesis» eine Doppelausstellung auf der Höhe der Zeit.
Samstag 17. August 2019 12:59
von Helen Lagger
Das Werk «Katzentisch» (2019). (Bild: PD)
Ein an Fäden aufgehängtes Tischchen schwebt in der Luft, ein Kleid hängt geisterhaft im Raum, und Stühle stehen stellvertretend für das Warten. Künstlerin Flurina Hack haucht in ihrem ausufernden Œuvre Fundstücken neues Leben ein. Gekonnt jongliert sie dabei mit den unterschiedlichsten Materialien. Hack, 1968 in Bern geboren, trat mit dem Projekt «Kunstkompost» (2017) mit partizipativer Kunst im öffentlichen Raum in Erscheinung.
In der Galerie da Mihi zeigt sie nun Gumprints, Objekte und Installationen. Das Thema «am Katzentisch» zieht sich durch die ganze Schau. «Katzentisch» – gemeinhin wird der Ausdruck für separate Plätze verwendet, die nicht zur eigentlichen Tischordnung gehören. An Hochzeiten sitzen dort, im Abseits, etwa Kinder, der Chauffeur oder der ledige ¬Onkel, der gerne zu tief ins Glas schaut.
Eine unbeliebte Position, die aber auch Potenzial birgt. Vielleicht entstehen gerade hier die besten Ideen, treffen die lustigsten Leute aufeinander und ist der Blick für das Ganze am schärfsten. Das von Hack mit ¬fluoreszierender Farbe bemalte Tischchen stammt aus dem Fundus ihrer Schwiegermutter. Das Sammeln von Gegenständen, die sich in ihrem Atelier in den Vidmarhallen stapeln, gehört zum Werkprozess dazu.
Verträumt: Flurina Hacks «Only You and You, and You…» (2019). Foto: PD
«Dieser Tisch hebt ab», kommentiert sie das schwebende Objekt. In den Gläsern, unter denen schwarze Punkte leuchten, kann man Katzenaugen erkennen. Inszeniert ist das Kunstwerk wie ein Spiel. «Es gibt verschiedene Strategien am Katzentisch», erklärt Hack das Szenario. Als Künstlerin in der immer noch männlich dominierten Kunstwelt sitze man zwangsläufig manchmal dort.
Ana, Louise und Niki
Gegensteuer gibt Hack mit ihrer Serie «Influencer» (2019). Darin präsentiert sie Künstlerinnen und Aktivistinnen, die sie beeinflusst haben. «Ana» ist ein Objekt aus Holz, Mischgewebe und Nylon, das mit einem langen schwarzen Zopf auf die Performancekünstlerin Ana Mendieta verweist.
Aus einem Kleiderbügel, einem Nylonstrumpf und Pingpongbällen besteht «Louise», eine Hommage an die Künstlerin Louise Bourgeois, und Gummihandschuhe und ein weisses Fell stehen für «Niki» alias Niki de Saint Phalle. «Natürlich haben mich auch Männer beeinflusst, aber die muss man nicht speziell hervorheben», sagt Hack.
Am Katzentisch sitzend, könne man sich auch in romantische Träume flüchten, erklärt die Künstlerin. Einen solchen Traum versinnbildlicht das von ihr gestaltete Objekt «Only You and You, and You…» (2019). Es ist ein aus Heissleim gefertigtes Hochzeitskleid, das an einem Kleiderbügel hängend im Raum schwebt.
Hacks Universum ist skurril und poetisch und erinnert punkto Strategie an das legendäre Künstlerduo Fischli/Weiss. Philosophische Fragen werden künstlerisch angegangen, die Zweckentfremdung alltäglicher Objekte führt zu oft überraschenden Erkenntnissen.
Faszination Hightech
Ebenfalls einen starken Bezug zur Materialität von Dingen hat der 1976 geborene Künstler Remy Erismann, der mit «Prosthesis» zum ersten Mal in der Galerie da Mihi ausstellt. Aus Carbon und Epoxidharz hat er von Hand riesige Prothesen gestaltet, die etwas verloren im Raum stehen.
«Ich bin fasziniert von Hightech, doch indem ich alles von Hand gestalte, praktiziere ich auch eine gewisse Leistungsverweigerung», erklärt der Künstler. Im Kabinett der Galerie läuft seine Videoarbeit «Silizium wäre geil» (2017), bei der es um eine Reflexion während des Arbeitsprozesses geht.
Mit Erismann und Hack zeigt Galeristin Barbara Marbot bewusst zwei voneinander unabhängige Positionen, die beide auf der Höhe der Zeit sind. Wer dennoch nach Bezügen sucht, der findet sie auch.
Samstag 17. August 2019 12:59
von Helen Lagger